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Vorwort

DIE SUCHE NACH AUSGÄNGEN UND EINGÄNGEN

Die Menschen sind der Alltäglichkeit überdrüssig. Nicht
alle, aber sicherlich die meisten. Die meisten Bürger erleben die
Welt wie einen sich täglich wiederholenden Film mit immer
gleichbleibenden Schauspielern und Kulissen. Bisweilen kann
dies als Zeichen von Stabilität aufgefasst werden. Doch früher
oder später kommt der Zeitpunkt, an dem der Mensch das
Gefühl hat zu ersticken. Er fühlt sich eingesperrt in einem engen
Zimmer, versucht auf jede erdenkliche Weise die Wände auseinanderzuschieben
– oder gar einen Weg nach draußen zu finden.
Auch eine gesicherte Existenz kann zu einem goldenen Käfig
werden. Es scheint, als hätte man alles, was man braucht: eine
Wohnung, ein Auto, Geld. Doch all das kann zu einem Teil der
Wände des Zimmers werden, in dem es mit der Zeit zu eng wird.
Eine einfache Renovierung dieser Wände kann zwar alles anders
erscheinen lassen. Doch den Kern des Problems ändert es nicht.
Und ich spreche noch nicht einmal von schlimmen Schicksalsschlägen
und Szenarien. In solchen Fällen beginnen die Wände nämlich noch viel mehr Druck auf den Menschen auszuüben.
Genau dann beginnt er, nach einem Ausweg zu suchen. Diese Suche
kann bei jedem vollkommen anders aussehen. Manch einer
versucht es mit Alkohol oder Drogen, ein anderer stürzt sich in
waghalsige Abenteuer und sexuelle Eskapaden, wieder ein anderer
wendet sich der Esoterik oder der Religion zu, in der Hoffnung,
dort einen Ausweg zu finden … Doch die Realität ist zähflüssig
wie Harz. Kaum glaubt jemand, einen Ausweg gefunden zu
haben, schon legt sich die klebrige Realität über ihn wie ein
schwerer Vorhang der Alltäglichkeit. Manchmal scheint es sogar
so, als existierten diese Ausgänge entweder überhaupt nicht oder
als seien sie von einem unsichtbaren und mächtigen Wesen bewacht.
Aber wer ist dieses Wesen? Wem nützt es, die Menschen
im engen Rahmen der offensichtlichen Realität gefangen zu
halten? Das können wahrscheinlich nur diejenigen beantworten,
die die Auswege trotz allem gefunden haben. Und natürlich auch
nur dann, wenn sie anschließend wieder zurückgekehrt sind.
Doch wer vermag es, die Grenzen der scheinbar unumstößlichen
Wände zu überwinden und danach wieder zurückzukommen?
Schamanen. Seher. Spirituelle Begleiter. Jäger. Diejenigen, die
die Grenzen überschreiten. Manche Menschen möchten einen
Schamanen finden, weil sie hoffen, dass dieser sie auf geheime
Wege mitnehmen, oder ihnen einen Ausweg zeigen wird. Oder
dass er ihnen zumindest einen Tipp gibt, wo sie suchen müssen.
Doch die Welt der Schamanen ist nicht so zugänglich, wie viele
Suchende es sich wünschen. Außerdem löst es auch nicht das
Hauptproblem: die Suche nach Auswegen. Zwar gibt es besondere
Menschen, die wissen, wie sie diesen engen Raum verlassen können,
doch auch sie zögern, ihr Wissen mit anderen zu teilen. So
wird die Suche nach Begleitern ebenso problematisch wie die Suche
nach Auswegen in eine andere Realität. Der Kreis schließt
sich, die Wände bleiben unüberwindbar.